Käserei: Ein Gespräch am Bergeshang

Fotografie: Antonia Pössinger

Fotografie: Antonia Pössinger

Es traf sich, dass am vierten Tage des Monats Mai, Freiherr Ansgar von Potando, ein gänzlich wohlgeformter Mann reiferen Alters und aufbrausenden Gemüts, auf der Bank vor seinem stolzen Heim, welches am Rande eines malerischen Bergdörfchens gelegen, sich niederließ, im bescheidenen Vorhaben sein Antlitz in der abendlichen Sonne wärmen zu lassen.

Wie stets zu diesem Ritual, fand sich vor ihm ein Glas eines Weins, dessen wohliger Geschmack mit “süffig” nur unzulänglich beschrieben wäre, sowie ein großes gelbes Rund, das aus der örtlichen Molkerei er bezogen und welches er nun mit sanft kreisenden Bewegungen umschmeichelnd, als Abendessen zu verspeisen gedachte. An dieser Stelle sei, obschon es dem kreativ veranlagten Leser sicherlich bereits bildlich vor Augen steht, löblichst erwähnt, um welch fantastische Käseköstlichkeit es sich hierbei, so der bestimmte Wille des Freiherrn von P., stets dringlichst handeln musste: Die cremige Umschmeichlung seines weltgewandten Gaumens war ihm eine unabdingbare Gewohnheit geworden, dergestalt, dass er eigens zu diesem Zwecke einen Boy zu engagieren gewöhnt war, dessen einzig irdischer Zwecke der Erforschung der Käserei zu gelten hatte.

Wie es ihrer beider Brauch geworden, fand sich alsbald auch der Boy – der keineswegs mehr im Jungenalter sich befand! – persönlich am abendlichen Tische ein und während er seinen Taschen, die sein treuer Packesel den Berg hinauf befördert hatte, manch irdisch-milchige Delikatesse entnahm, begann er in ruhig-erheitertem Tone langsam zu referieren; nicht ohne einen bubenhaften Zug im Blick, der so gar nicht zu seinen fortgeschrittenen Alter passen wollte.

“Ein großartiger Käse beginnt, und hier darf weder Sparsamkeit noch nachsichtige Milde toleriert werden, mit reiner und wohlschmeckenster Milch. Sie sollte reich an Fett sein, die handelsüblichen 3.7% also in keinem Falle unterschreiten, und von einer reinrassigen Kuh edlen Standes stammen. Mein treuer Vetter, welcher nach Indien zu reisen gewohnt ist, erzählt stets mit kindischer Freude von einer dort beheimateten, langbehörnten Milchkuhrasse, welche den Namen Zebu zu tragen scheint und obschon spärlicher in der Milchgabe als das heimische Vieh aus Holsten, eine gar köstliche Milch produziere, welche nicht nur beträchtlich wohlschmeckend wäre, sondern gar 4.6% Fett zu besitzen pflege.

Hat man erfolgreich und wohlfeil der nötigen Menge Milch sich habhaft gemacht, so bedarf es im nächsten Schritte der Dicklegung, welche am zielführendsten mit freundlich gesinnten Bakterien zu erledigen ist. Die so erzeugte Gallerte, welche oft schon im Laufe einer Stunde eine beachtliche Festigkeit erzielt, wird nun zum Zwecke des Abtropfens in einem Sieb verteilt. Lüstet es einen nach einem frischen Käse, etwa im Stile eines Ricottas, welchem unsere südlichen Nachbarn so verfallen sind, so ist die Gallerte vorsichtigst zu behandeln und Feuchtigkeit sollte kaum entweichen. Für den wundervoll-cremigen Bergkäse, welchen Sie noch immer so liebevoll umstreicheln, bedarf es hingegen recht kräftiger Siebung um die gewünschte Festigkeit bereits zu Anfang zu manifestieren. Nach teils kräftiger Salzung wird die Masse in eine, zum späteren Genusse geeignete Form gebracht und zwecks Reifung in den Käsekeller verfrachtet, welcher durch Temperaturen um die 10 Grad Celsius und durch eine beträchtliche Luftfeuchtigkeit aufs Großartigste zur Lagerung geeignet ist.

In den darauf folgenden Wochen bedarf es nun eines treuen Käseknechtes, welcher zunächst täglich, nach einigen Wochen nur noch an alternierenden Tagen, den Käse mit Lake bestreiche und mit vorsichtigster Behutsamkeit den Laib gelegentlich wende. Nach einigen Monaten schließlich ist aus der köstlichen Milch meiner treuen Aberdeen-Kühe ein solch wundervolles Kunstwerk entstanden, wie jenes, welches Sie nun in den Händen halten.”

Mit diesen Worten beendete der weitgereiste Boy seine Erzählung, zog freudig einige Flaschen Wein aus aller Herren Länder aus seinem Gepäck, welche allesamt sogleich entkorkt sich fanden und deren Inhalt bereits baldigst auf den Weg in die Mägen der beiden älteren Herren sich aufmachte.