Interview mit Sternekoch Tristan Brandt

Die Kulinarische Gesellschaft war mit Interviewblock und Diktiergerät in der Republik unterwegs.
Auf unserem ersten Stopp trafen wir in Mannheim auf Tristan Brandt.
Tristans Lebenslauf liest sich wie ein Restaurantführer. Direkt nach der Kochausbildung schaffte er den Einstieg in die Sternegastronomie. Seinen Weg durch die Küchen der Welt säumten Namen wie Harald Wohlfahrt, Jean-Georges Klein, Jordi Cruz, Christian Bau und Dieter Müller. Heute ist Tristan, Jahrgang 1985, Küchenchef der Restaurants OPUS V, le Corange, Dachgarten und Faces Lounge.
Wir treffen Tristan Brandt auf der Außenterrasse eines seiner vier Restaurants. Die Sonne scheint. Er ist gerade mit dem Mittagsservice fertig und nimmt sich eine dreiviertel Stunde für uns Zeit.

Unten findet ihr eine Auswahl der Interviewfragen. Die ungekürzte Version gibt es als pdf:
Ungekürztes Interview mit Sternekoch Tristan Brandt

Eine Kreation von Tristian Brandt: Apfel-Grüntee-Bäumchen

Eine Kreation von Tristian Brandt: Apfel-Joghurt-Grüntee-Bäumchen

Henrietta: In deinem Gourmet-Restaurant OPUS V verwendest du auch Elemente der Molekularküche. Was reizt dich an dieser speziellen Form des Kochens?
Tristan: Ich habe während meiner Laufbahn in vier 3-Sterne-Restaurants gearbeitet und habe das Glück gehabt, dass ich mir bei allen das Beste abgucken konnte. Und aus diesen Erfahrungen habe ich dann meinen eigenen Stil entwickelt und diesen Stil gibt es heute bei uns im OPUS V. Ich versuche immer mit den Gerichten, die wir servieren, die Leute zu überraschen, das heißt, Gerichte, die im ersten Moment einfach aussehen aber den Gästen eine Geschmacksexplosion zu bieten und dadurch zu überzeugen.

Henrietta: Auf welches Produkt deiner Küche bist du besonders stolz?
Tristan: Aktuell haben wir eine Hamachi-Vorspeise auf der Karte. Das sind fünf Teile vom Hamachi in fünf verschiedenen Garmethoden. Das heißt, wir haben den Hamachi, die Gelbflossenmakrele, von Kopf bis Fuß verarbeitet. Das Bäckchen wird pochiert, das Kiemenstück wird gebeizt, der Rücken wird mariniert und der Bauch wird geflämmt. Die Gräten, die übrig bleiben, werden gekocht und für den Fond verwendet. Der Fisch ist etwa zwei bis drei Kilo schwer.

Mathis: Was motiviert dich, das ganze Produkt zu verwenden?
Tristan: Also heutzutage ist es ja so, dass man an Fleisch und Fisch zu jeder Zeit alles bekommen kann. Früher war es so, dass wenig verfügbar war und dass es ganz normal ist, dass man Leber oder Niere oder Milz der Tiere gegessen hat. Aber heutzutage ist es ein Abfallprodukt für die Leute, weil das Fleisch einfach nicht mehr so teuer ist wie früher und es in jedem Supermarkt immer verfügbar ist. Das heißt, wir können heutzutage jederzeit Hühnchen, Schweinefilet kaufen und von daher werden die anfänglichen Abfallprodukte, die ja eigentlich kein Abfall sind, aber trotzdem nicht mehr von den Leuten konsumiert. Ich habe halt gedacht, man muss eigentlich damit anfangen, alles zu verarbeiten, damit die Leute wieder auf den Geschmack kommen. Wir geben den Gästen auf unserer Speisekarte nur drei Grundinformationen – Hamachi / gelbe Paprika / Avocado – und so habe ich die Möglichkeit vom Hamachi alles zu verarbeiten und der Service am Tisch erzählt den Gästen alles Weitere. Es ist ein bisschen Psychologie: Wenn man den Gästen von vorneherein erzählen würde, was sie essen werden, würden sie es möglicherweise nicht bestellen, aber wenn sie es vor sich stehen haben, dann essen sie es und können wieder auf den Geschmack kommen.

Mathis: Woher kommt die Inspiration für deine Gerichte?
Tristan: Meine Inspirationen kommen meistens spontan. Das ist eine ständige Entwicklung. Ich habe immer einen Zettel auf dem Schreibtisch oder Nachttisch liegen, da schreibe ich Ideen drauf. Zum Beispiel aktuell steht ein Dessert drauf „Apfel / Joghurt / Grüner Tee“. Ich habe meiner Pâtissière die Aufgabe gegeben daraus ein Dessert zu machen. Ich gebe die Ideen so vor und will meine Mitarbeiter so zu eigener Kreativität herausfordern. Bei diesem Gericht kam dann die Idee einen Apfelbaum zu bauen. Der Waldboden und die Stämme sind aus Schokoladencreme, die Krone besteht aus verschiedenen Elementen vom Apfel und von Grünem Tee. Dazu gibt es eine ausgestochene Apfelcreme und ein Joghurt-Eis.

Henrietta: Entfernt sich die Speisekomponente so nicht zu sehr vom eigentlichen Produkt?
Tristan: Speziell in diesem Gericht gibt es auch rohe Anteile. Ich versuche immer das Produkt nur soweit zu verarbeiten, dass der natürliche Eigengeschmack vorhanden bleibt. Das heißt, zum Beispiel bei der Apfelcreme, dass sie nur mit etwas Butter in der Mikrowelle gegart wird. In der Mikrowelle werden die Enzyme im Apfel zerstört, die ihn braun werden lassen würden. Die helle Apfelcreme wird dann ausgegossen und gefroren ausgestochen und auf dem Teller wieder aufgetaut. Somit habe ich den hundertprozentigen Apfelgeschmack ohne den Apfel zu sehr verarbeitet zu haben. 30 Sekunden in der Mikrowelle gegart und dann gemixt und das war‘s dann. Und so versuche ich die Produkte so wenig wie möglich zu verarbeiten, sodass möglichst viel vom Eigengeschmack vorhanden bleibt und nicht verfälscht wird.
Wir arbeiten natürlich auch gerne mit verschiedenen Texturen und ich mache mir sehr viele Gedanken über die einzelnen Gerichte. Das heißt, wir bauen auch gerne knusprige Elemente ein oder aufgeschlagene Schäume oder Gels. Hauptsache die Komponenten des Gerichts harmonieren. Der Gast hat immer eine gewisse Vorstellung, wenn der das Gericht bestellt. Unsere Gäste erleben diesen gewissen Überraschungseffekt beim Essen, und bestenfalls eine enorme Geschmacksexplosion, weil sie sich das Gericht, wie gesagt, ganz anders vorgestellt haben.

Henrietta: Normalerweise wählt man ja den Wein zum Essen und nicht andersrum. Hast du einen Wein auf der Karte, zu dem du schon mal ein spezielles Gericht kreiert hast?
Tristan: Wir haben im Mai ein Event im OPUS V für maximal dreißig Gäste, das Dom Pérignon Dinner. Wir werden drei verschieden Champagner servieren, einen weißen, einen rosé und den P2, eine ganz besondere Rarität von 1982. Zu diesen drei Champagner aus dem Hause Dom Pérignon werde ich mir insgesamt sechs Gerichte ausdenken. Jedes Gericht wird glasweise begleitet und das ist schon eine besondere Herausforderung für mich.

Henrietta: Und wie ist da deine Herangehensweise?
Tristan: Erst einmal alle drei Flaschen trinken. Dann fällt mir schon was ein. [lacht]

Danke für deine Zeit, Tristan