Tradition

Die vermutlich erste photographische Aufnahme des Biergenusses, festgehalten durch Hill & Adamson (Schottland, etwa 1844). Quelle: Wikipedia

Die vermutlich erste photographische Aufnahme des Biergenusses, festgehalten durch Hill & Adamson (Schottland, etwa 1844). Quelle: Wikipedia

Werte Gemeinde,

mein Großvater wurde 1917 geboren. 1917 hatte Deutschland noch einen Kaiser. Die Jugend ehrte das Alter in gebührendem Maße und Tradition, meine werten Damen und Herren, bedeutete damals noch etwas. Wer sich entschied, Schreiner zu werden, der wurde Teil eines stolzen Handwerks mit einer ehrbaren Geschichte voller Grandeur, in der selbst Jesus von Nazareth nur am Rande erwähnt sei. Schreiner gibt es, Gott sei gedankt, noch heute. Doch wie viele ehrenhafte Berufe sind seitdem untergegangen und haben nun keine Menschenseele mehr, die um sie trauert?

Der Vater meines Großvaters war Küfer. Wer, frage ich Euch, gedenkt heute noch dieser wundervollen Kunst des Fassbindens, die nach Jahrhunderten der Beständigkeit ein leises und trauriges Ende fand?
Wer trauert um all die Bürstenbinder, Kesselflicker, Pfeifenbäcker und Nagelschmiede?
Wer gedenkt der Beutler, Fischbeinreißer, Rosstäuscher, Einschlagmacher, Bänkelsänger und Haderlumpen?
Wie viele gaben ihre ganze Geschicklichkeit, opferten Kraft und Augenlicht für ihre Berufe und Familien, nur damit heutzutage Leute mit einstmals ehrbaren Nachnamen wie Köhler und Ackermann Vulgarität als dienstbare Arbeit verkaufen können?

Wir alle sind entsetzt, müssen entsetzt und abgestoßen sein durch dieses Ausmaß an Missetat, welches zuallererst in fehlendem Respekt fußt. Respekt ist es, den wir alle vermissen ließen und es ist an der Zeit, auf Knien zu sühnen, denn Sühne ist zweifelsfrei unabdingbar. Mehr als das jedoch, wird nötig sein, um unsere Gesellschaft auf den Pfad der Rechtschaffenheit und Tugend zurückzuführen und das eingeschlafene Traditionsbewusstsein in deutschen Landen wach zu küssen.

Ich sage: Erhebt euch, liebe Gemeinde!
Fordert von euren Arbeitgebern eine Bezahlung in Talent oder wenn es sein muss, in Rentenmark!
Nehmt öfter mal die Droschke zur Arbeit und verlangt nach einem Boy, der den Lift bedient!
Vor allem aber, und dies erbitte ich aufs Eindringlichste: Hört auf, diesen modernen Fraß aus Plastik, Abfall und Ingwer in euch hinein zu stopfen, als gäbe es kein Morgen. Trefft euch lieber mit der kulinarischen Gesellschaft zu einem zünftigen Abendbrot! Im Anschluß gibt es den ein oder anderen ordentlichen Absacker.

Wir freuen uns.
Die Berechtigung zur digitalen Reservierung wird bald erteilt.

18.12. Club der polnischen Versager, Ackerstr. 168

Kulinarischer Stammtisch im Da Jia Le

Liebe Leute,

am Mittwochabend, den 12.11.2014, um 19 Uhr treffen wir uns zum weltweit ersten kulinarischen Stammtisch im chinesischen Spezialitätenrestaurant Da Jia Le, Goebenstraße. 23. Alle, die gerne gut essen und trinken, sind herzlich eingeladen. Besonders herzlich einladen wollen wir auch alle, die sich vorstellen können, einmal selbst über Essen und Restaurants zu schreiben.
Mit besten Grüßen und bis Mittwoch!

Die kulinarische Gesellschaft

Jahrmarkt des Berliner Weinbundes

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Eingang zum Paradies

Am letzten Sonntag hätte man die Türen des Magazins der ehemaligen Heeresbäckerei einfach für ein Experiment hinter den Besuchern schließen können: Wie entwickelt sich die Spezies Mensch in einer Welt, in der Brot und Wein im Überfluss herrschen? Die kleine Menschheit in den alten Fabrikhallen würde sich langsam von Stand zu Stand bewegen, hier portugiesische, dort griechische Weine probieren. Zwischen den Weinen würde sie französische Süßigkeiten oder indischen Pfeffer verkosten. An jedem Morgen würden die Menschen in den verschlossenen Hallen zum Schlachter gehen und mit ihm über die negativen Folgen von Treibjagd auf Wildwurst sprechen. Bei einem Craft Beer würden sie sich wundern, warum es nur noch Bäuche, aber keine Kriege mehr gibt. Sie würden sich sammeln und der kleinen Frau mit portugiesischem Akzent lauschen, die von den Seitenarmen des Douro und den vergessenen Rebsorten erzählt. Alle wären für immer satt und glücklich. Umgeben nur von den besten Zutaten würde die kleine Menschheit einer glorreichen Zukunft entgegen schreiten; nur draußen würde die Welt in Flammen aufgehen.

Wäre aber ein Künstler unter ihnen, wie würde er dann das Paradies malen? Als ein Land der Entbehrung? Oder als eine Insel, auf der immer noch mehr Würste und Weine glänzen? Oder gar als Jahrmarkt des Weinbundes?

Schade, dass sich die Türen des vom Berliner Weinbundes veranstalteten Jahrmarktes immer nur einmal im Jahr öffnen. Am Sonntag war es endlich soweit. Zehn „namhafte Berliner Weinhändler“ stellten unter dem Thema „Verborgene Schätze der Weinwelt“ etwa 250 internationale Weine vor, die durch „Feine Kost und Lebensart“ begleitet wurden. Der Zusammensetzung des Berliner Weinbundes entsprechend wurden die Schätze vor allem im europäischen Kernland vermutet (Griechenland, Spanien, Portugal, Frankreich, Italien und Deutschland) und nicht in der neuen Welt oder Österreich.

Den Gedanken, mich einfach einzuschließen und der Welt die Möglichkeit einer alternativen Menschheitsgeschichte zu geben, bekam ich übrigens bei der Verkostung dreier, teurer Rotweine:

> Beaune-Clos-du-Roi Premier Cru, 2008, Domaine Tollot Beaut, Bourgogne, 41 Euro

> Aurus, 1997, Finca Allende, Rioja, 145 Euro für die Magnumflasche

> N’Anticchia, 2010, Tenuta Aglaea, Etna, 38 Euro

Ich kann nicht wirklich malen, aber diese drei müssten ins Bild.

Weinentstehung 1: Pflanze & Terroir

Die Herstellung von Wein ist ein komplexer und ausgeklügelter Prozess, der im besten Fall mit Kopfweh am nächsten Morgen endet. Die Schwere des Katers und möglicherweise aufkommende Reue hängen hierbei von vielen Faktoren ab.

Pflanze & Terroir
Wein wird, so zumindest die Hoffnung, aus Trauben gepresst. Die Pflanzen sind in fast allen Fällen veredelt, in dem Sinne, dass die eigentliche Rebsorte mit bestehenden Wurzeln verbunden wird. Das sorgt dafür, dass die Pflanze resistent gegenüber der Reblaus wird und erlaubt eine bessere Ausbeute der Mineralien im Boden. Die eigentliche Rebsorte, etwa “Chenin Blanc” bezeichnet nur den oberen Teil der Pflanze. Durch die Reblaus sind wurzelechte Weinstöcke, also solche die nicht veredelt sind, sehr selten, aber durchaus teilweise im Handel zu finden.

Der Boden auf dem die Pflanze steht, zusammen mit dem lokalen Klima wird als Terroir bezeichnet und hat ganz entscheidenden Einfluss auf den Charakter des Weins. Riesling auf Schiefer oder Lehmböden bekommt so etwa sehr verschiedene Geschmacksnoten. Auch das generelle Umfeld des Weines hat großen Einfluss: Wachsen Kräuter auf dem Weinberg sind diese Geschmäcker auch im späteren Wein erkennbar. Deshalb wird auch einige Wochen vor der Ernte das Düngen der Felder eingestellt.

Wir treibe ich meinen Weinverkäufer in den Wahnsinn:

Auf was für Wurzelstöcken stehen die Weinreben?

Würden Sie den Wein als charakteristisch für die Schieferböden der Moselregion beschreiben?

Ah, ich war vor kurzem im Urlaub in dieser Region und mir sind die ausgedehnten Tannenwälder aufgefallen. Mir war doch gleich so, als ob dieser Wein aus der Luft den umspielten Charakter eines Nadelharzes aufgenommen hat.

Dies ist der erste Eintrag einer Serie über die Herstellung von Wein.

Rückblick: Kartoffelkochkurs

Zutaten für den Kartoffelkochkurs

Zutaten für den Kartoffelkochkurs

Vor mittlerweile einer Woche trafen wir uns zum ersten Kochkurs der kulinarischen Gesellschaft und widmeten uns mit voller Hingabe der Kartoffel. Aus 8 verschiedenen Sorten bereiteten wir zusammen folgende Köstlichkeiten:

Unser Menü

Kartoffelchips mit Kräuter-Aioli
Kartoffelpuffer an Senf-Sojajoghurt
Kroketten mit Pilzen der Saison in Sahne
Mohnschupfnudeln mit Vanillesauce und Zwetschgen

Hier ein wenig mehr Details zu unserem ersten Gang:
Als Vorspeise wurden die Kartoffelsorten verglichen und so zubereitet, dass ihr Geschmack schlicht zur Geltung kommt. Wie ginge das besser als hauchdünn geschnitten, scharf in Öl versengt und leicht gesalzen?
Die Aioli wurde ja schon ausführlich besprochen. Zum Verfeinern wurde Kresse und Schnittlauch benutzt.
Das Zubereiten der Chips ist ausgesprochen einfach. Die Kartoffeln werden in sehr dünne Scheiben geschnitten. In einem Topf wird neutrales Fett mit hohem Rauchpunkt, z.B. Sonnenblumenöl erhitzt. Die optimale Temperatur liegt um die 170 Grad. Die Kartoffeln werden nun in das heiße Fett getaucht. Dabei sollte man versuchen, die Scheiben von Anfang an möglichst zu trennen. Die Fritierzeit für die Kartoffeln lag zwischen 2 und 4 Minuten und hing sehr stark von der Kartoffelsorte ab. Vermutlich durch den höheren Wassergehalt von festkochenden Kartoffeln, brauchten diese deutlich länger. Mehlig kochende gaben insgesamt knusprigere Chips und funktionierten etwas besser.
Am Ende einfach salzen und mit der Aioli aufessen.